Halsbrecherischer Meilenstein?

Querdenker*innen wollen Landtag abberufen – Ein Kommentar

Ein Bündnis von „Querdenker*innen“ strebt einen Volksentscheid zur Abberufung des Bayerischen Landtags an. Sie wollen zunächst 25.000 Unterschriften von Stimmberechtigten in Bayern sammeln. Wenn sie das schaffen, brauchen sie für ihr Volksbegehren rund eine Million Wähler*innen, die innerhalb von zwei Wochen in ihren Rathäusern dafür unterschreiben, dass der Landtag aufgelöst und neu gewählt wird. Danach käme es zum Volksentscheid.

Unterm Strich wäre das also eine Art Abwahl des Parlaments mit demokratischen Mitteln. Immerhin kein Militärputsch. Dazu fehlen den Querdenker*innen freilich auch die Mittel und Möglichkeiten, vielleicht nicht der Wille. Die Horde, welche vor einigen Monaten den Reichtstag stürmen wollte, war erschreckend in ihrer Entschlossenheit, aber eben doch nur ein unorganisierter impulsgetriebener Haufen im fantasierten Revolutionsrausch.

Ernst zu nehmen ist das Vorhaben „Volksbegehren“ dennoch. Wie groß Wut, Enttäuschung, Protestlust und Selbstverherrlichung bei den Querdenker*innen sind, ist inzwischen sattsam bekannt. Spannend wird viel mehr, wie sehr sich das in unserer Gesellschaft verfängt. Beim Stammtisch, im Treppenhaus oder auf der Straße mal eben gegen „die Politiker da oben“ schimpfen – das kommt so manchem leicht über die Lippen. Daran mag sich dann auch die eine oder andere Sympathiebekundung fürs Querdenken ankoppeln.

Seine Unterschrift mit persönlichem Namen und Adresse auf ein Volksbegehren setzen, gar noch dafür mit Personalausweis im Rathaus vorsprechen – das ist schon eine andere Nummer. Da kommt es dann zum Schwure. Wie viele machen sich tatsächlich mit denen gemein, die Kritik an Corona-Maßnahmen mit Antisemitismus, Rassismus und Hass auf Geflüchtete verbrämen, die in den sozialen Medien gezielte Hasskampagnen fahren, die an Alu-Hüte, Chemtrails und unterirdische Höhlen voller gekidnappter Kinder glauben?

Trotz aller Verrücktheiten ist in den Querdenker*innen (im Verbund mit der AfD) durchaus eine gewisse Gefahr für unsere Demokratie zu erkennen. Auf das Herz der Demokratie – das Parlament – zielen sie mit dieser Aktion ja auch ab. Es könnte aber sein – hoffentlich – dass gerade diese Aktion deutlich macht, wie wenig Rückhalt sie in der breiten Gesellschaft haben. Dass viele Menschen jetzt endlich merken, wem sie da ein Stück weit auf den Leim gegangen sind. Dann wäre die Aktion ein (sogar willkommener!) halsbrecherischer Meilenstein.

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