Ich habe mir den Koalitionsvertrag von CSU und Freien Wählern vorgenommen und ihre Vereinbarungen zum Thema Bauen und Wohnen überprüft. Tatsächlich sind ein paar gute Ideen dabei. Aber: es gibt noch jede Menge Verbesserungsbedarf. Bewertet habe ich die insgesamt 17 Punkte mit einem Ampelsystem – grün, orange und rot.
Die Koalitionspartner vereinbaren:
1. „Wir fördern den sozialen Wohnungsbau. Der Freistaat stellt im Jahr 2018 für den sozialen Wohnungsbau eine Rekordsumme von rund 886 Mio. Euro zur Verfügung. Das hohe Investitionsniveau wollen wir verstetigen.“
Es ist höchste Eisenbahn, dass die Landesausgaben für den sozialen Wohnungsbau aufgestockt werden. Noch bis vor drei Jahren wurden jährlich weniger als 300 Mio. Euro investiert. Das zeigt: Die von der CSU geführte Regierung hat die gefährliche Entwicklung des Wohnungsmarkts jahrelang verschlafen. Nun reagiert sie endlich.
Ich finde das Ziel gut, aber die Formulierung ist zu schwammig. Was soll „Verstetigung“ heißen? Meine Forderung wäre hier, dass diese Summe für fünf Jahre bereitgestellt wird, denn ein nachhaltiger Wohnungsbau benötigt langfristige Investitionen.
2. „Den kommunalen Mietwohnungsbau fördern wir durch die garantierte Fortführung des bisherigen Programms bis 2025. Eine Überarbeitung der Förderbedingungen in Niedrigmietgebieten werden wir mit dem Ziel prüfen, Investitionen anzuregen.
Um die angespannte Mietpreissituation zu lindern, verlängern wir die Bindungsfrist für Sozialwohnungen von 25 auf 40 Jahre. Davon können bis zu 60.000 Mieterinnen und Mieter profitieren.“
Die Verlängerung der Bindungsfrist für Sozialwohnungen unterstützen wir Grünen voll und ganz. Allerdings darf nicht auf Freiwilligkeit allein gesetzt werden; die Verlängerung muss gesetzlich verankert werden. Bisher fallen nämlich jährlich mehr dieser Wohnungen aus der Bindung, als neue hinzukommen. Bleibt zu überprüfen, ob die Koalition dieses Ziel tatsächlich umsetzt…
Unklar bleibt mir, welches Programm des kommunalen Mietwohnungsbaus hier gemeint sein soll. Außerdem sehe ich die Gefahr der Gentrifizierung, wenn in Niedrigmietgebiete investiert wird.
Mehr Infos unter: gruene-fraktion-bayern.de
3. „Wir bauen auch selbst. Wir wollen 10.000 neue Wohnungen bis 2025 mit der neuen staatlichen Wohnungsbaugesellschaft BayernHeim schaffen. Vorrangiges Ziel bleibt die Bereitstellung von Wohnraum für Wohnungssuchende mit niedrigeren Einkommen, die sich am Markt nicht angemessen mit Wohnraum versorgen können. Wir helfen damit z. B. Erziehern, Pflegekräften, Polizeibeamten und Studierenden.“
Wohnungsbaugesellschaften in der Hand des Staates sind an sich eine gute Sache. Allerding hege ich großen Zweifel an der Sinnhaftigkeit der Schaffung der BayernHeim GmbH. Sie muss von Null anfangen und verschlingt beim Aufbau von Personal und Strukturen viel Zeit und Geld. Stattdessen hätten bestehende Strukturen und Akteure wie Genossenschaften und kommunale Wohnungsunternehmen gestärkt werden sollen.
Zudem ist der Verteilungsschlüssel der geförderten Wohnungen kritisch zu hinterfragen. Nicht nur in den Metropolregionen wie München und Nürnberg werden Wohnungen benötigt, sondern in ganz Bayern. Ich werde überprüfen, in welchen Regionen die Förderung am Ende tatsächlich ankommt.
4. „Wir wollen alle in Frage kommenden staatlichen Grundstücke und Konversionsflächen nutzen, damit ausreichend Bauland für die Wohnraumschaffung zur Verfügung steht.
Außerdem werden wir prüfen, ob die staatlichen Hochschulen über bebaubare Flächen verfügen, die den Studentenwerken zur Errichtung von Studentenwohnheimen zur Verfügung gestellt werden könnten.“
Diese Pläne finde ich richtig. Um in unseren Städten mehr Wohnraum zu schaffen, müssen weitere Grundstücke erschlossen werden. Um das systematisch anzugehen, sollte die Koalition ein umfassendes Flächenkataster der Flächen im öffentlichen Besitz in Bayern einführen.
5. „Bei staatlichen Wohnungen verzichten wir für fünf Jahre auf Mietpreiserhöhungen.“
Da gibt es nicht’s zu bemängeln! Ich vergebe: 10 Punkte!
6. „Wir fördern Eigentum. Dazu dient die bayerische Eigenheimzulage mit einer Grundförderung in Höhe von 10.000 Euro und einer Auszahlung als einmaliger Festbetrag.
Ebenso das bayerische Baukindergeld Plus: 300 Euro zusätzlich zum Baukindergeld des Bundes, damit 1.500 Euro pro Kind und pro Jahr für bayerische Familien. Wir gestalten die Eigentumsförderung als „Einheimischenmodell“ aus.“
Wir Grüne lehnen diese Pläne aus drei Gründen ab. Erstens ist die Förderung dort, wo Wohnraum besonders knapp und teuer ist, ein Tropfen auf den heißen Stein. Entsprechend hilft die Zulage kaum jemandem, sich beispielsweise ein Haus in München, Nürnberg oder Regensburg zu leisten. Zweitens entstehen sogenannte Mitnahmeeffekte: Wer so oder so bauen oder kaufen will, kann sich über einen Zuschuss freuen. Drittens besteht die Gefahr, dass die Baukosten als auch die Immobilienpreise durch die staatlichen Zuschüsse in die Höhe getrieben werden.
Kurzum: Das Ziel, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen wird durch Eigenheimzulage und Baukindergeld verfehlt. Hier wird sehr viel Geld investiert, das an anderer Stelle viel sinnvoller eingesetzt werden könnte – zum Beispiel im sozialen Wohnungsbau oder in der Nachverdichtung. Weitere Infos unter: sueddeutsche.de
7. „Wir wollen insbesondere Familien beim erstmaligen Erwerb von selbstgenutztem Wohneigentum durch einen Freibetrag bei der Grunderwerbsteuer entlasten.“
Diese Maßnahme verfährt nach dem Gießkannen-Prinzip und trägt damit nicht zur sozialen Gerechtigkeit bei. Freibeträge bei der Grunderwerbssteuer sollten vorrangig den Familien zugutekommen, die bedürftig sind und sich ansonsten kein Eigentum leisten können. Außerdem: Die Grunderwerbssteuer ist eine wichtige Finanzierungsquelle der Kommunen, deswegen sollten sie und nicht der Freistaat entscheiden dürfen, ob und für wen sie Freibeträge gewähren.
8. „Wir verbessern die Rahmenbedingungen für mehr privaten Wohnungsbau. Auf Bundesebene treten wir für bessere Anreize im Wohnungsbau ein, insbesondere im Steuerrecht. Wir setzen uns für die Wiedereinführung der degressiven Abschreibung bei Wohnneubauten ein. Wir brauchen investitionsfreundlichere Bedingungen für den privaten Wohnungsbau.“
Um die Wohnungsnot zu beseitigen, müssen wir auch privates Kapital aktivieren. Allerdings sollten die Verbesserungen der steuerlichen Abschreibungsmöglichkeiten ausschließlich für den sozialen Wohnungsbau gewährt werden. Investitionsfreundlichere Bedingungen für den privaten Wohnungsbau dürfen sich nur auf angespannte Wohnungsmärkte beschränken und müssen an soziale Kriterien, beispielsweise Mietobergrenzen, gekoppelt sein.
9. „Wir bringen eine Bundesratsinitiative mit dem Ziel ein, dass Landwirte Bauland steuerfrei oder steuerbegünstigt aus dem Betriebsvermögen entnehmen dürfen, wenn sie oder Dritte in der Folge Miet- und Eigenwohnraum darauf schaffen oder dadurch Infrastrukturvorhaben ermöglicht werden.“
Das geht gar nicht, denn es ist ein Freibrief für ungezügelten Flächenverbrauch! Wer sparsam mit dem knappen Gut Fläche umgehen will, darf nicht gleichzeitig Bauland auf der grünen Wiese begünstigen. Stattdessen müssen wir die Wohnbauflächenpotenziale in den Innenbereichen der Städte und Gemeinden erschließen. Wir müssen Baulücken schließen und – wo es baulich Sinn macht – höher bauen, um mehr Wohnraum in Ballungsräumen schaffen zu können.
10. „Unser Ziel ist auch, schneller und einfacher zu bauen. Wir überprüfen daher die bautechnische Normung und die Standards (etwa Energieeinsparverordnung). Wir werden uns auf Bundesebene für eine kritische Evaluation der Zusammensetzung der DIN-Ausschüsse im Bereich der bau- und brandschutztechnischen Normierung einsetzen.
Wir werden die Bayerische Bauordnung in enger Zusammenarbeit mit den Kommunen mit dem Ziel schnellerer Verfahren und günstigerer Lösungen, etwa im Bereich Brandschutz, weiterentwickeln.“
Das Normungswesen treibt Baukosten z.T. unverhältnismäßig in die Höhe – das ist richtig –, doch die Standards, die hier beispielhaft genannt werden, sollten nun ausgerechnet nicht angerührt werden!
An der Energiesparverordnung rütteln wir nicht, denn zukunftsfähiger Wohnungsbau kann nur in Verbindung mit Klimaschutz geschehen. Außerdem wird ein schlecht gedämmtes Gebäude langfristig zur Kostenfalle für Mieter*innen und Kommunen. Zudem sind Faktoren jenseits energetischer Standards weitaus einflussreicher auf die letztendlichen Baukosten. Eine Studie der Hamburger Umweltbehörde kam sogar zu dem Ergebnis, dass Passivhäuser tendenziell günstiger gebaut werden können, als Gebäude mit schlechteren Standards. Auch die brandschutztechnischen Normierungen sind richtig und wichtig. Hier ist nicht die Gesetzeslage das Problem, sondern die Auslegung.
Wir Grünen wollen das Normungswesen einer grundsätzlichen Revision unterziehen, wobei Kosten- und Praxisaspekte stärker berücksichtigt werden müssen. Insbesondere die in der Bauordnung vorgeschriebene, sehr teure und platzraubende Schaffung von Stellplätzen für PKW gehört abgeschafft, da immer mehr Menschen statt auf’s Auto auf nachhaltige Verkehrsmittel wie Fahrrad oder Carsharing setzen.
11. „Wir wollen insbesondere im ländlichen Raum das Bauplanungsrecht vereinfachen und zur weiteren Wohnraumaktivierung weiterentwickeln.“
Das ist eine weitere Maßnahme, die den Flächenfraß begünstigt! Schluss damit! Siehe oben. Im ländlichen Raum muss besonders behutsam geplant werden, um mit Neubauten nicht den Leerstand zu vergrößern und historische Ortskerne nicht gänzlich dem Verfall preiszugeben.
12. „Wir wollen das Planen und Bauen durch Digitalisierung vereinfachen und beschleunigen. Dazu treiben wir die digitale Baugenehmigung voran und führen Modellprojekte in ausgewählten Kommunen durch.“
Die Digitalisierung im Baubereich ist längst überfällig und sollte schleunigst geschehen!
13. „Wir unterstützen die Kommunen bei der Festlegung von Sanierungsgebieten und der Durchführung von Sanierungsmaßnahmen und prüfen die Möglichkeit einer Initiative zur Vereinfachung der Vorschriften des Baugesetzbuchs.“
Die Vereinfachung der Vorschriften des Baugesetzbuchs finde ich gut, aber der Rest ist nichts als reine Verlegenheitsforderung. Besser wäre es, mehr Geld in die Städtebauförderung zu investieren.
14. „Wir setzen uns für eine konsequente Umsetzung der Maßnahmen des Wohngipfels der Bundesregierung vom September 2018 ein.“
Die Ergebnisse des Wohngipfels der Bundesregierung waren insgesamt sehr mager, daher schmückt sich die bayerische Staatsregierung nicht mit Lorbeeren, wenn sie diese nun umzusetzen gelobt.
Für eine ausführliche Bewertung des Wohngipfels verweise ich an meinen Kollegen in der Bundestagsfraktion, Chris Kühn.
15. „Beim Bauen in der Stadt gilt für uns: Wir wollen auch in den Städten mehr bezahlbaren Wohnraum schaffen und bestehende Flächen besser ausnutzen – intelligenter, nachhaltiger und flexibler bauen. Dabei werden wir vor allem bestehende Grünzüge sowie Frischluftschneisen erhalten und die Verkehrserschließung berücksichtigen. Wir setzen auf neue Formen des ökologischen Bauens.“
Das klingt gut, ist aber sehr unkonkret formuliert. Was soll „intelligenter bauen“ heißen? Die Verkehrserschließung werden wir kritisch und unter Gesichtspunkten der Förderung nachhaltiger Mobilitätsmittel beobachten.
16. „Unsere Innenstrategie lautet: Wir wollen neuen Wohnraum im Bestand schaffen – anwohnerverträglich und mit Rücksicht auf Quartierscharakter und bestehende Grün- und Erholungsflächen.“
Das finde ich gut: Bitte umsetzen! Allerdings wird die Innenentwicklung nicht funktionieren, wenn der Flächenfraß am Rand von Städten und Dörfern weiterhin gefördert wird. Außerdem benötigen die Kommunen für diese schwierige Aufgabe Anreize. Wir Grüne wollen sie beim Innenentwicklungsmanagement finanziell unterstützen und Anreize zur Hebung von Flächenpotentialen und für Innenentwicklungsvorhaben setzen.
17. „Wir wollen das Wohngeld reformieren. Wir setzen uns gegenüber dem Bund für eine Reform des Wohngelds ein. Es muss dringend an die Lebenswirklichkeit in Bayerns Städten angepasst werden. Wir wollen insgesamt eine Anhebung des Niveaus und den Zuständen in Hochpreisgebieten Rechnung tragen. Wir sind bereit, deutlich mehr für Wohngeld auszugeben. Dazu braucht es aber eine Reform durch den Bund, der die Regeln für das Wohngeld vorgibt und die andere Hälfte der Zahlungen leistet.“
Die Reform des Wohngeldes ist eine notwendige soziale Aufgabe. Allerdings sollte der Freistaat seine Verantwortung nicht zu sehr an den Bund abgeben.