Rede zum Gesetzentwurf der FDP zur Änderung der Bayerischen Bauordnung: Abschaffung der Sonderregelung im Abstandsflächenrecht
Am 1. Februar 2021 ist die Novelle der Bayerischen Bauordnung in Kraft getreten. Das Bauen sollte dadurch einfacher und schneller, kostengünstiger und auch flächensparender werden. Ein zentraler Punkt der Bauordnungsnovelle war das neue Abstandsflächenrecht. Es sah eine vereinfachte Berechnung der für die Abstandsflächen maßgeblichen Wandhöhe und gegenüber der bis zum 1. Februar 2021 geltenden Rechtslage ein verkürztes Maß der Tiefe der Abstandsfläche vor.
Die Änderungen im Abstandsflächenrecht haben in erheblichem Maß zu einer Erleichterung insbesondere des Wohnungsbaus beitragen. Für uns GRÜNE unverständlicher ist aber, dass für Städte mit mehr als 250.000 Einwohnerinnen und Einwohnern – was derzeit München, Augsburg und Nürnberg betrifft – weiterhin das alte Abstandsflächenrecht mit 1,0 H gilt. Gerade dort wäre mit einem Standard von 0,4 H eine flächensparende Nachverdichtung möglich. Um ein einheitliches Abstandsflächenrecht für ganz Bayern zu schaffen, wollen wir diese überflüssige Sonderregel streichen.
Meine Rede zum Gesetzentwurf der FDP zur Änderung der Bayerischen Bauordnung
Die Rede im Wortlaut:
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es herrscht große Aufregung hier im Raum, weil der eine unter 1,0 H das eine versteht und unter 0,4 H der andere das andere. Es geht um die Abstandsflächen. Ich sage auch für die Menschen, die uns heute zuhören: In Bayern galt bis vor zwei Jahren, dass zum Nächsten immer der Abstand einer Gebäudehöhe gebraucht wurde, wenn jemand gebaut hat. Vor über zwei Jahren gab es eine Novelle, um die Bayerische Bauordnung zu ändern. Das Abstandsflächenrecht sollte an die sogenannte Musterbauordnung angeglichen werden, die für das ganze Land gilt, und von 1,0 H auf 0,4 H herabgesetzt werden.
Das war eigentlich eine ganz gute Idee, und eigentlich hätte man vermuten können, dass dem fraktionsübergreifend zugestimmt wird. Wir GRÜNE fanden diese Idee sehr gut und haben auch zugestimmt, aber es war kein einstimmiger Beschluss; es wurde nämlich tatsächlich eine Ausnahme gewährt: 0,4 H soll nicht für die Großstädte gelten. Wir haben in Bayern drei große Städte, nämlich Nürnberg, München und Augsburg. Absurderweise hat man das gerade für die Großstädte, wo man Wohnraum braucht – das ist ja der Sinn, der dahintersteckt, dass wir verdichtet, schnell und kostengünstig bauen –, ausgeklammert.
Das Ende vom Lied ist: Wir haben jetzt hier und dort unterschiedliche Möglichkeiten zu bauen. Das verwirrt nur und ist eigentlich eine ganz große Ungerechtigkeit. Nach zwei Jahren ist es an der Zeit zu evaluieren und zu schauen, was die Baurechtsnovelle gebracht hat. Inzwischen haben sich auch sehr viele geäußert: der Bayerische Gemeindetag, die Architektenkammer, die Ingenieure, all diejenigen, die mit Bauen und Planen zu tun haben. Sie stehen kopf und sagen: Es versteht eigentlich kein Mensch, warum diese Großstädte ausgeklammert werden sollen.
Wenn der sehr geschätzte Kollege Schmid sagt, die Gartenstädte in München hätten es erfordert, dass 1,0 H bewahrt wird, ist das ein völliger Trugschluss, denn diese Ausnahme hätte man mit Bebauungsplänen, nachträglichen städtebaulichen Verträgen oder wie auch immer regeln können. Das Gros der Stadt hätte davon aber profitiert. Um günstigen Wohnraum zu errichten, ist es sehr wichtig, den Wohnungsbestand zu nehmen. Denken Sie mal nicht an Ihre Gartenstädte, sondern an Neuperlach und andere verdichtet bebaute schon bestehende Wohngebiete. Es ist naheliegend, dort noch ein Geschoss draufzubauen. Dann hätten Sie flächendeckend für eine Großstadt günstigen Wohnraum, da der Grundstückspreis nicht anfällt. Jetzt komme ich zu dem, was uns GRÜNEN sehr wichtig ist: Bei einer nachträglichen Nachverdichtung ist es sehr wichtig, den Grünanteil trotzdem zu erhalten, also keine neue Fläche in Anspruch zu nehmen, sondern auf bestehende eingeschossige oder mehrgeschossige Gebäude noch was draufzubauen und dann grünen Ausgleich zu schaffen durch Fassadenbegrünung und Dachbegrünung und so grüne Gestaltung wie möglich der restlichen Hofflächen oder der Umgriffe der Gebäude. Für das Ganze gibt es einen Fachausdruck, den wir sehr gerne in die neue Baunovelle – ich nehme an, wir machen vielleicht in der nächsten Legislatur eine neue Baunovelle – aufnehmen würden und einhergehend Nachverdichtungen immer mit einer doppelten Innenentwicklung fördern. „Doppelte Innenentwicklung“ heißt: Bei einer Nachverdichtung muss so geplant werden, dass immer ein qualifizierter Freiflächengestaltungsplan, ein Grünordnungsplan, beigelegt wird. Dann haben wir beides.
Das ist meine „frohe Botschaft“, dass man Baupolitik so verstehen kann, kostengünstiges Bauen zu ermöglichen und gleichzeitig eine Nachverdichtung durchzuführen. Wir sparen Boden ein, leiden aber nicht an einer zu großen Nachverdichtung, die nur aus Beton besteht. Sie haben als schauriges Bild geschildert, dass Gartenstädte plattgemacht werden. Nein, die doppelte Innenentwicklung ist wichtig. Die Fassadenbegrünung und die Dachbegrünung müssen weiterhin dazugehören. Wir glauben, das ist fällig. Ganz Deutschland plant mit 0,4 H, auch die Nachbarländer. In der Schweiz sieht es genauso aus. Die haben sogar 0,33 H. Das wird also kommen. Ich glaube, die Bastion, lieber Herr Schmid, mit Ihren Gartenstädten wird fallen. Ich freue mich auf eine grüne Zukunft. – Danke schön.